Hamburg Institut Standpunkt: das Wärmeplanungsgesetz

Am 17. November 2023 hat das Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze den Bundestag passiert. Wir haben es uns angeschaut und geben eine kurze Einordnung – in unserer neuen Reihe HAMBURG INSTITUT STANDPUNKT. Darin schauen wir uns aktuelle Energie- und Klimathemen näher an.

Eckpunkte des Gesetzes für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze

Unser Blick auf das Wärmeplanungsgesetz

  • Die flächendeckende Wärmeplanung ermöglicht eine einheitliche Informationsgrundlage und dadurch Planungssicherheit für kommunale Akteure. Sie schafft die Voraussetzung für ein strukturiertes Vorgehen beim Umbau des Wärmeversorgungssystems. Dafür muss sie – aller Lücken in der rechtlichen Verbindlichkeit zum Trotz (siehe These 6) – in ihrer Bedeutung ernst genommen sowie konsequent auf- und umgesetzt werden.
  • Erstmals wurden explizit die Wärmenetze in den Blick genommen und mit konkreten Dekarbonisierungszielen versehen – ein bedeutender Schritt.
  • Die politisch unsichere Weltlage zeigt eindrucksvoll: Wir müssen uns in Deutschland endlich von der Vorstellung lösen, dass sich andere um unsere Wärmeversorgung kümmern. Dafür braucht es schnell mehr Unabhängigkeit von externen Energielieferungen. Das Gesetz schafft nun die Grundlage, nicht nur eine klimaneutrale, sondern auch eine geopolitisch nachhaltige Wärmeversorgung und Energiesicherheit auszubauen.
  • Hätten wir dieses Gesetz schon viel früher gebraucht? Ganz klar: ja. Deutschland hat seinen Status als Erneuerbaren-Vorreiter längst verloren und muss jetzt umso mehr Tempo vorlegen, um die Klimaziele zu erreichen. Das bringt viele Konflikte mit sich, die sich durch frühzeitige Weichenstellungen, wie sie etwa Dänemark bereits in den 1980ern vorgenommen hat, hätten vermeiden lassen. Dennoch gilt: besser spät als nie. Wir müssen bei der Wärmewende endlich ins Machen kommen!
  • Wie erfolgt künftig die Wärmeversorgung? Das ist eine große und komplexe Fragestellung. De facto wird durch das Gesetz ein nicht unerheblicher Teil der Wärmewende auf die Kommunen übertragen. Auf dieser praxis- und umsetzungsorientierten Ebene ist sie einerseits genau richtig aufgehoben.
  • Andererseits wurden jedoch auch Konfliktthemen in die Kommunen verlagert. Diese sind nun in der Verantwortung, die Gebiete zu identifizieren, in denen eine gemeinschaftliche Versorgung stattfinden soll – und die, in denen einzelne Gebäudeeigentümer:innen auf min. 65 % erneuerbare Energien umrüsten müssen.
  • Unklarheiten bestehen beispielsweise auch beim Flächenbedarf für Erneuerbare, dem Umgang mit dezentralen Wärmeversorgungslösungen in Wärmenetzgebieten oder auch der Zukunft des Gasnetzes. Da diese Themen nicht explizit im Gesetz verankert wurden, müssen sie nun auf kommunaler Ebene diskutiert und letztlich auch gelöst werden. Für die Kommunen ein Spagat zwischen multiplen Rollen und Interessen.
  • Die Wärmeplanung ist ein Instrument von zentraler strategischer Bedeutung und mit langfristiger Wirkung. Für viele Kommunen ist dies erstmalig der Anlass, ein gesamtstädtisches Zukunftsbild zu zeichnen und durch das Bündeln von Daten und Maßnahmen einen ganzheitlichen Plan zur Wärmeversorgung aufzusetzen.
  • Die Kommunen sind einem immensen Druck und der Pflicht ausgesetzt, ihren Bürger:innen Planungssicherheit und Preisstabilität zu geben. Auch Unternehmen brauchen Sicherheit: Sie müssen klimaneutral werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben und die Anforderungen ihrer Kunden zu erfüllen. Die Wärmeversorgung haben die meisten Unternehmen jedoch nicht selbst in der Hand.
  • Für die Wärmepläne bedeutet das: Sie müssen exakt und sorgfältig ausgearbeitet werden und können nicht als Pflichtübung nebenher behandelt werden. Angesichts dieser hohen Bedeutung sind die Budgets, die die Länder den Kommunen dafür zur Verfügung stellen, meist viel zu gering. Hier herrscht noch immer eine große Diskrepanz: Professionell, gründlich und aus neutraler Perspektive erstellte Wärmepläne haben im wahrsten Sinne ihren Wert. Von den Ergebnissen können Kommunen lange und auf vielen Ebenen profitieren.
  • Unsere bisherige Erfahrung mit der kommunalen Wärmeplanung zeigt: Vor lauter Datenrecherche kommt das Strategische oft zu kurz. Es wird zu viel Zeit darauf verwendet, den Bestand zu analysieren, und zu wenig, um daraus zielführende Maßnahmen abzuleiten.
  • Wir müssen jedoch schnell vom Status-quo in die Umsetzung und Veränderung kommen. Deshalb ist es wichtig, Prioritäten richtig zu setzen und die Handlungsempfehlungen in den Vordergrund zu rücken.
  • Hierbei gilt: It‘s time to get real. Von Wasserstoff-Verfügbarkeiten bis CO2-Preis: Wärmepläne brauchen Realismus und Pragmatismus. Sie müssen auf wissenschaftlich basierenden Methoden aufgesetzt werden.
  • Die Wärmewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ihr Erfolg hängt davon ab, ob es gelingt, die Vielzahl an Akteuren zu vernetzen, beteiligen und mitzunehmen.
  • Gleiches gilt für die kommunale Wärmeplanung: Ein offener Austausch mit allen Beteiligten vom Wohnungsunternehmen über die Stadtwerke und Industrieunternehmen bis zu den Bürgerinnen und Bürgern ist elementar. Nur so können ein vollständiges Bild und Akzeptanz für Veränderungen entstehen.
  • Gespräche bringen Erkenntnisse und Ergebnisse. Oder anders gesagt: Allein vom Schreibtisch aus lässt sich kein vernünftiger Wärmeplan aufsetzen.
  • In der jetzt verabschiedeten Form stellen die Wärmepläne eine „zu berücksichtigende“ Informationsgrundlage dar – ohne Rechtswirkung oder weitere Verpflichtung, etwa für den Ausbau der Wärmenetze oder die Gestaltung von Bebauungsplänen.
  • Ein wichtiger erster Schritt wäre, den Wärmeplan zumindest für die jeweilige Kommune und die kommunalen Unternehmen verbindlich zu machen. Auf diese Weise würde das Instrument im Sinne der Planungs- und Investitionssicherheit weiter gestärkt und könnte wirkungsvoller in die Stadtentwicklung einfließen.