Hamburg Institut Standpunkt: Wie sich eine uneingeschränkte Privilegierung von Solarthermie im BauGB auswirken würde

Privilegierung von solarthermischen Freiflächenanlagen im Baugesetzbuch

Solarthermische Freiflächenanlagen sind ein wichtiges Element, um die gesetzlich festgeschriebenen Ziele der Wärmewende* zu erreichen. Eine der zentralen Herausforderungen beim Ausbau von solarthermischen Freiflächenanlagen für Wärmenetze ist der Flächenbedarf und die damit verbundene Flächenkonkurrenz.

Im Baugesetzbuch (BauGB) werden die Vorhaben aufgelistet, die im Außenbereich privilegiert realisiert werden können. Eine Privilegierung von Anlagen, die der solarthermischen Erzeugung von Wärme dienen, ist dabei nur in sehr eingeschränktem Maße vorgesehen: auf einer Fläche längs von Autobahnen oder Schienenwegen und in einer Entfernung von bis zu 200 Metern zu diesen (§ 35 Abs. 1 Nr. 8b BauGB).

In diesem HAMBURG INSTITUT STANDPUNKT blicken wir auf die Möglichkeit der uneingeschränkten Privilegierung von solarthermischen Freiflächenanlagen im Rahmen von § 35 BauGB und zeigen die damit verbundenen Auswirkungen auf.

*§ 29 WPG: Anteil Erneuerbarer Energien bei der Wärmeversorgung über Wärmenetze von mindestens 30% bis 2030 und 80% bis 2040
  • Die derzeitige Regelung in § 35 Abs. 1 Nr. 8b BauGB (eingeschränkte Privilegierung von Anlagen zur „Nutzung solarer Strahlungsenergie“ längs von Autobahnen oder Schienenwegen und bis zu einer Entfernung von 200 Metern von diesen) führt meist zu einer siedlungsfernen Privilegierung.
  • Während diese siedlungsferne Privilegierung durchaus zu einem schnelleren Ausbau von Photovoltaik (PV) beitragen kann, ist dies für die Solarthermie kaum hilfreich. Denn Solarthermie ist aus technischen Gründen in der Regel auf die Nähe zu Siedlungs- oder Gewerbegebieten angewiesen.
  • Zudem sind die langgestreckten Flächen an Autobahnen und Schienen für die Solarthermie aus technisch-hydraulischen Gründen wirtschaftlich sehr unvorteilhaft.
  • Aufgrund der technisch vorgegebenen Nähe zu Wärmesenken ist ein „Wildwuchs“ im Außenbereich nicht zu befürchten.

Fazit:
Nur im siedlungsnahen Außenbereich würde die Privilegierung von Solarthermie einen signifikanten Beitrag zur Beschleunigung der Wärmewende leisten. Die derzeitige Rechtslage ermöglicht dies nicht.

  • Derzeit umfasst § 35 Abs. 1 Nr. 8b BauGB alle Anlagen zur „Nutzung solarer Strahlungsenergie“ und ist daher trotz des technisch-konzeptionellen Zuschnitts auf PV-Anlagen auch auf Solarthermie-Anlagen anwendbar.
  • § 35 Abs. 1 Nr. 8b  BauGB lässt sich als spezielle und abschließende Regelung für solare Anlagen verstehen, so dass die Anwendung der Privilegierung „ortsgebundener Anlagen zur öffentlichen Versorgung mit Wärme“ nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB für Solarthermie ausgeschlossen sein dürfte.
  • Technisch betrachtet wäre das Kriterium der Ortsgebundenheit das sinnvollere Anknüpfungs-Kriterium zur Privilegierung von Solarthermie – durch die spezielle Privilegierung von Solaranlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 8b BauGB ist die Anwendbarkeit von § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB auf die Solarthermie jedoch höchst fraglich (s.o.).

Fazit:
Nach der derzeitigen Konzeption von § 35 Abs. 1 BauGB existiert faktisch keine sinnvolle Privilegierung von Solarthermie. Eine eindeutige Regelung, die sich auf die Solarthermie (oder PVT) zur Wärmeerzeugung bezieht, würde Klarheit bei der Anwendung des § 35 Abs. 1 BauGB auf die Solarthermie schaffen.

Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach § 35 BauGB ist in der Regel eine Prüfung öffentlicher Belange erforderlich.

  • Für privilegierte Vorhaben, die raumbedeutsam sind, entfällt die Prüfung öffentlicher Belange, soweit diese bei der Darstellung dieser Vorhaben bereits als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind.
  • Wenn es sich bei der Solarthermie-Freiflächenanlage um ein raumbedeutsames Vorhaben handelt, kann die Prüfung öffentlicher Belange im Falle einer Privilegierung daher unter Umständen entfallen. Dies würde zu einer Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens führen.

Bei der Prüfung öffentlicher Belange gelten für privilegierte und nicht privilegierte Vorhaben unterschiedliche Prämissen:

  • Nicht-privilegierte Vorhaben: Öffentliche Belange dürfen nicht beeinträchtigt sein (keine Abwägungsmöglichkeit). Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt bereits dann vor, wenn ein Belang nicht unwesentlich nachteilig berührt wird. Dies ist bei größeren Vorhaben in aller Regel der Fall, so dass die Genehmigung ausscheidet.
  • Privilegierte Vorhaben: Öffentliche Belange dürfen nicht entgegenstehen. Aufgrund ihrer planartigen Zuordnung zum Außenbereich setzen sich privilegierte Vorhaben bei der Abwägung regelmäßig durch.

Fazit:
Eine uneingeschränkte Privilegierung stärkt die Genehmigungsfähigkeit von Solarthermie.

Bisher sind Solarthermie-Projekte von kommunaler Bauleitplanung mit politischer Entscheidung abhängig.

  • Solange die Solarthermie im Außenbereich nicht uneingeschränkt privilegiert ist, wird für deren Genehmigung in aller Regel ein entsprechendes Bauleitplanverfahren durch die Kommune benötigt.
  • Eine Bauleitplanung ermöglicht den Kommunen, über die lokale Flächennutzung eigenverantwortlich zu entscheiden. Ein Anspruch auf Durchführung eines Bauleitplanverfahrens zugunsten von Solarthermie besteht nicht.
  • Das Erfordernis der Bauleitplanung führt vielerorts dazu, dass durch planerische Untätigkeit der Kommunen Solarthermie gänzlich verhindert wird.

Im  Falle einer uneingeschränkten Privilegierung der Solarthermie im Außenbereich wäre ein Bauleitplanverfahren entbehrlich.

  • Die Frage der Genehmigungsfähigkeit von Solarthermie wäre nicht mehr allein von kommunalpolitischen Entscheidungen abhängig.
  • Das Einvernehmen der Kommune kann im Falle der Privilegierung in der Regel nicht verweigert werden, da die öffentlichen Belange zumeist nicht entgegenstehen.
  • Durch eine Privilegierung, die nur bei Untätigkeit der Kommune greift, behält die Kommune ihre positive Steuerungsmöglichkeit über die Bauleitplanung. Sie verliert lediglich die faktische Veto-Position durch bauleitplanerische Untätigkeit.

Fazit:
Eine uneingeschränkte Privilegierung ermöglicht Solarthermie auch bei planerischer Untätigkeit der Kommunen.

Durch eine uneingeschränkte Privilegierung würde die baurechtliche Genehmigung von Solarthermie beschleunigt.

  • Für nicht-privilegierte Vorhaben ist die Genehmigungsfähigkeit nach § 35 BauGB in aller Regel nicht gegeben, da öffentliche Belange beeinträchtigt werden. Die Folge ist ein oftmals langwieriges Bauleitplanverfahren auf dem Weg zur Genehmigung.
  • Für privilegierte Vorhaben, die nicht raumbedeutsam sind, ist die Genehmigungsfähigkeit nach § 35 BauGB i.d.R. gegeben, da öffentliche Belange i.d.R. nicht entgegenstehen. Daraus resultiert eine Baugenehmigung ohne Bauleitplanung.
  • Für privilegierte Vorhaben, die als raumbedeutsam eingestuft werden, entfällt die Prüfung öffentlicher Belange, wenn sie bei der Darstellung dieser Vorhaben bereits als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. In diesem Fall wird das Genehmigungsverfahren beschleunigt.

Fazit:
Die Privilegierung führt zur beschleunigten Genehmigung von Solarthermie-Freiflächenanlagen. Mehr Tempo beim Ausbau der Solarthermie ist von erheblicher Bedeutung, um die Ziele der Wärmewende zu erreichen.