Hamburg Institut Standpunkt #6: Wärmeplanung zwischen Ideal und Realität – ein Lagebild aus der Praxis

Mit dem Wärmeplanungsgesetz nimmt die Wärmewende auf kommunaler Ebene Fahrt auf. Während Großstädte vielfach auf der Zielgeraden sind, beginnen viele kleinere Kommunen jetzt mit der Wärmeplanung.

Als Begleiter von rund 20 Wärmeplanungsprozessen – von der Landeshauptstadt bis zur ländlichen Gemeinde – sammeln wir wertvolle Erfahrungen. Diese zeigen: Die kommunale Wärmeplanung ist kein Selbstläufer. Sie muss Erwartungen managen, soziale Ängste ernst nehmen und praxisnah bleiben. Ein sensibler Prozess zwischen Technik, Politik und Gesellschaft. Was zählt, ist nicht nur ein guter Plan – sondern einer, der auch funktioniert.

In diesem HAMBURG INSTITUT STANDPUNKT teilen wir unsere Erfahrungen und die aus unserer Sicht wichtigsten Erkenntnisse.

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Ausgangslage: das Wärmeplanungsgesetz (WPG)

Ziel: Das Wärmeplanungsgesetz (WPG) unterstützt die kommunale Wärmewende durch verpflichtende Wärmeplanung. Sie ist ein strategisches Instrument für eine treibhausgasneutrale Wärmeversorgung bis spätestens 2045.

Pflicht zur Wärmeplanung laut WPG:

  • Kommunen mit über 100.000 Einwohner:innen müssen ihre kommunale Wärmeplanung bis 30. Juni 2026 vorlegen.
  • Kommunen mit unter 100.000 Einwohner:innen haben dafür Zeit bis zum 30. Juni 2028

In einigen Bundesländern wurde das Wärmeplanungsgesetz des Bundes in landeseigene Gesetze überführt, wodurch teilweise neue Fristen festgelegt wurden (bspw. in Niedersachsen).

Die Wärmeplanung ist der Startschuss – nicht das Ziel.

  • Die kommunale Wärmeplanung wird oft als finale Lösung missverstanden, als Plan, der alle Fragen beantwortet – am besten bis ins jeweilige Zieljahr der Klimaneutralität, spätestens 2045.
  • In der Praxis ist sie jedoch ein strategisches Planungsinstrument, das erste fundierte Annahmen trifft und Optionen aufzeigt – aber keine endgültigen Entscheidungen vorgibt.
  • Erwartungsmanagement ist daher ein Schlüssel zum Erfolg: Wer die Wärmeplanung als verlässlichen Auftakt für einen längerfristigen Transformationsprozess begreift, schafft Vertrauen – und motiviert zur Umsetzung.
  • Die Wärmeplanung ist ein kontinuierlicher Lernprozess – und muss als solcher von Anfang an kommuniziert werden.

Wärmenetze: Zwischen Vision und Wirklichkeit entscheidet die Umsetzbarkeit.

  • Viele Wärmepläne zeigen große Potenziale für Wärmenetze – doch Potenzial ist nicht gleich Realität.
  • Ein Netz ist nur dann sinnvoll, wenn es auch wirklich realisierbar ist – technisch, organisatorisch und wirtschaftlich. Dafür braucht es u. a. investitionsbereite Betreiber, regionale Fachkräfte und eine realistische Kostenschätzung.
  • Die Wärmeplanung identifiziert Eignungsgebiete für Wärmenetze. Belastbare Aussagen zur techno-ökonomischen Umsetzbarkeit und daraus folgenden Versorgungskosten müssen nachfolgende Machbarkeitsstudien und Transformationspläne liefern.
  • Weniger ist manchmal mehr. Lieber ein kleineres, gut durchdachtes Netz mit Umsetzungschancen als ein ambitionierter Plan, der am Ende in der Schublade bleibt.
  • Wärmenetze sind eine Chance für kostengünstige Versorgung – aber nur dort, wo sie tatsächlich eine bessere Option sind als z. B. die Umgebungsluft-Wärmepumpe.

Die Wärmewende ist auch eine soziale Frage.

  • Für viele Menschen bedeutet die Wärmewende: Investitionen, Unsicherheit und Zukunftsängste – insbesondere bei älteren Eigentümer:innen mit begrenztem Kapital.
  • Auch wenn Wärmepumpen in den Vollkosten oft günstiger sind, stehen hohe Anfangsinvestitionen im Raum. Das schreckt ab – emotional wie finanziell.
  • Soziale Ängste sind keine Randnotiz, sondern ein zentrales Thema für die Akzeptanz. Sie verdienen daher erhöhte Aufmerksamkeit bei den politischen Akteuren. Ohne Akzeptanz wird die Wärmewende lokal nicht gelingen.
  • Dem Thema Förderung sollte Priorität eingeräumt werden. Das können auch spezielle Programme zum Beispiel von örtlichen Sparkassen sein, wie es in einigen Kommunen bereits umgesetzt wird. Der Austausch von Best-Practices kann funktionierende Ansätze nach vorne bringen.

Verständliche Kommunikation ist ein Schlüssel zur Akzeptanz.

  • Fachliche Präzision ist wichtig – aber verständliche Kommunikation ist entscheidend.
  • Wärmeplanung richtet sich nicht nur an Energieversorger und Fachleute, sondern auch an Politik und Bürgerschaft.
  • Wer nur in Wärmeliniendichten und Netzpotenzialen spricht, läuft Gefahr, die Menschen vor Ort zu verlieren.
  • Gute Wärmeplanung erklärt, warum z. B. bestimmte Gebiete für Netze geeignet sind – und andere nicht. Sie macht nachvollziehbar, welche Kriterien angewendet wurden und welche Einschränkungen es gibt.
  • Transparenz stärkt das Vertrauen. Und Vertrauen ist die Grundlage jeder langfristigen Veränderung.

Kleine Kommunen brauchen eigene Wege – und passende Werkzeuge.

  • Kleine Gemeinden stehen vor anderen Herausforderungen als große Städte: häufig weniger Personal, weniger Kapazitäten und Ressourcen.
  • In der Fläche dominieren Einfamilienhäuser – zentrale Lösungen wie Wärmenetze stoßen hier an Grenzen.
  • Wärmepumpenlösungen werden in diesen Strukturen zur bedeutenden Option. Spezialisierte Tools wie die des Hamburg Instituts helfen, die Machbarkeit frühzeitig zu prüfen (z. B. im Hinblick auf Schall, Vorlauftemperatur oder Geothermie-Potenzial).
  • Auch die Umsetzung ist oft schwieriger: Während Großstädte Klimaschutzkoordinator:innen beschäftigen, arbeiten kleinere Kommunen mit oftmals ehrenamtlich organisierten Gremien wie Wärmekreisen.
  • Unabhängig von der Größe der Kommune fehlt häufig noch eine tragfähige Lösung für Gebiete mit dichter Bebauung und gleichzeitig geringem EE-Potenzial – hier braucht es ggf. kreative, lokale Ansätze wie Genossenschaften oder nachbarschaftliche Lösungen.

Die kommunale Wärmeplanung ist ein wertvoller Verbindungspunkt vielfältiger Akteure und Informationen.

  • Die Wärmeplanung ist oft der erste strukturierte Anlass, bei dem sich relevante kommunale Akteure an einen Tisch setzen: Stadtverwaltung, Stadtwerke, Wohnungswirtschaft, Klimaschutzmanagement, Handwerk, Planung, Politik.
  • Sie fördert systematisches Denken über Verwaltungsgrenzen hinweg – sowohl innerhalb der Kommune als auch zwischen externen Partnern.
  • Arbeitsschritte wie die Bestandsaufnahme und Potenzialanalyse erfordern die Zusammenführung unterschiedlichster Datenquellen – von Gebäudealtersklassen über Versorgungsstrukturen bis hin zu Abwärmequellen und Flächenpotenzialen. Daraus entsteht ein umfassender, gesamtstädtischer Blick auf das Thema Wärme.
  • Dieser Austausch ist nicht nur fachlich wertvoll, sondern auch strategisch: Er schafft Verständnis für die jeweiligen Perspektiven und legt den Grundstein für spätere Zusammenarbeit in der Umsetzung.
  • Die Wärmeplanung wird damit zur kommunikativen Brücke – und stärkt den Zusammenhalt für die Wärmewende.

Die Wärmewende ist Teamarbeit – und ein Marathon, kein Sprint.

Die kommunale Wärmeplanung ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur klimaneutralen Wärmeversorgung. Doch die besten Pläne nützen nichts, wenn sie an der Realität scheitern. Was zählt, sind transparente Prozesse, sozial gerechte Lösungen und vor allem: ein klarer Blick für das Machbare.

Wenn es gelingt, alle Akteure mitzunehmen – von der Verwaltung bis zur älteren Hauseigentümerin – wird aus Planung echte Veränderung.

Fragen? Anregungen? Nehmen Sie gern Kontakt mit uns auf!

Ihr Ansprechpartner für das Thema kommunale Wärmeplanung ist Felix Landsberg